Erbschaft annehmen oder ausschlagen

Häufig steht der Erbe vor der Frage, ob er die das Erbe annehmen oder ausschlagen soll. Insbesondere dann, wenn die Zusammensetzung des Erbes unbekannt ist.Dabei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden, die in 6 Wochen ab Kenntnis des Todes des Erblassers entschieden sein müssen:

1. Die Zusammensetzung des Erbes ist unklar. Es bestehen möglicher Weise viele Schulden des Erblassers. Welche Strategie ist zu wählen ?

2. Es liegt eine belastete Erbschaft des pflichtteilsberechtigten Erben durch Nacherbschaft, Testamentsvollstreckung, Teilungsanordnung, Vermächtnis oder Auflage vor

3. Häufige Fragen zur Ausschlagung oder Annahme der Erbschaft

4. Aktuelle Rechtsprechung

1.Zusammensetzung des Erbes ist unklar

Nicht selten ist einem potentiellen Erben die Zusammensetzung des Nachlasses vor Antritt der Erbschaft unbekannt und bereits diese Tatsache führt zu einer vorschnellen Ablehnung der Erbschaft. Dies gilt insbesondere dann, wenn mögliche Schulden des Erblassers im Raum stehen. Meist stellt sich dann sehr schnell die Frage, ob das Erbe ausgeschlagen werden soll oder das Erbe annehmen nicht doch lukrativer ist. Wobei es bei der „Annahme“ der Erbschaft gerade keines besonderen Rechtsaktes bedarf. Diese kann vielmehr durch bloßes Nichtstun eintreten, was sie für die Beteiligten um so unberechenbarer erscheinen lässt. Die Annahme der Erbschaft wird nämlich allein dadurch vollzogen, dass der Erblasser stirbt, und die Rechtsnachfolge entweder aufgrund einer letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) oder aufgrund gesetzlicher Erbfolge von selbst eintritt. Folgende Fragestellungen sind daher von Interesse:

Fristen und Besonderheit beim Pflichtteil

  • Es gibt keine Frist für die Annahme des Erbes. Ohne weitere rechtliche Schritte ist der Erbe mit dem Tod des Erblassers dessen Rechtsnachfolger gem. § 1922 BGB
  • Ist das Erbe überschuldet, droht ohne weiteres Eingreifen die eigene Verschuldung. Denn im Wege der Rechtsnachfolge (§ 1922 BGB) übernimmt der Erbe die Schulden des Erblassers.
  • Die Frist für eine Ausschlagung des Erbes ist äußerst kurz.Hierfür bleiben nur 6 Wochen Zeit, gerechnet nach Kenntnis des Erbfalles § 1944 BGB hält man sich während dieser Zeit (Fristbeginn) im Ausland auf, verlängert sich die Frist auf insgesamt 6 Monate (§ 1944 Abs. 3 BGB). Am Tag des Fristendes muss die Erklärung beim Nachlassgericht eingegangen sein. Die Ausschlagung erklärt man entweder zu Protokoll des Amtsgerichts oder in Gegenwart eines Notars.
  • Gehört man zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gem. § 2303 BGB (Kinder, Eltern, Ehepartner oder Lebenspartner nach LPartG) und schlägt das Erbe aus, ohne dass die Ausnahmen des § 2306 BGB (Belastung der Erbschaft mit Nacherbschaft, Vermächtnis, Testamentsvollstreckung, Teilungsanordnung) vorliegen, verliert man zugleich seine Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gem. §§ 2303 Abs. 1 S. 2, 2325 BGB. Teilweise sind das Ansprüche, die 10 Jahre – oder bei Übertragungen gegen Nießbrauchsvorbehalt – noch länger zurückreichen können.
  • Weiter bestehen mögliche Ansprüche aus § 2315 BGB. Ebenso geht für die pflichtteilsberechtigten Personen der Anspruch auf Ergänzung des Erbteils zum Pflichtteil, der sog. Ergänzungspflichtteil verloren (§ 2305 BGB). Des Weiteren sind die Ausgleichsansprüche unter den Geschwistern aus einer Erbschaft (§ 2050 BGB) neutralisiert. Hat der Erbe den Erblasser gepflegt und schlägt dann das Erbe aus, sind auch die Ausgleichsansprüche aus § 2057a BGB weg.

Fazit:
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der vermeintlichen Überschuldung des Nachlasses zum Teil sehr einträgliche, werthaltige Ansprüche gegenüberstehen können, die bei einer vorschnellen Ausschlagung verloren gingen. Die folgenden Hinweise sollen daher aufzeigen, dass kein Grund zu unüberlegten Handlungen besteht. Vielmehr sind in ausreichendem Maße rechtliche Instrumentarien vorhanden, die negative Folgen für den Erben verhindern.

Strategie bei der Frage, ob man das Erbe ausschlagen oder annehmen soll

Vor einer Ausschlagung des Erbes sollte daher als erster Schritt geprüft werden, welche Ansprüche einerseits bei Annahme der Erbschaft möglichen Verbindlichkeiten gegenüberstehen. Denn bisweilen können z.B. die Ausgleichsansprüche von Geschenken die potentiellen Schulden des Erblassers bei Weitem übersteigen. Treten jedoch nach Annahme der Erbschaft derlei Passiva auf (Steuerschulden, unbezahlte Rechnungen, etc.), die die Fortgeltung als Erbe unwirtschaftlich erscheinen lassen, gibt es immer noch folgende Möglichkeiten:

  • Es kann auf Auftreten möglicher Schulden des Erblassers, die eigene Ansprüche aus der Erbschaft mittelbar übersteigen, 6 Wochen ab Kenntnis des Schuldgrundes gegenüber dem Nachlassgericht die Anfechtung der Annahme der Erbschaft erklärt werden. Der Erbe hat sich dann bei einer Überschuldung des Nachlasses über eine verkehrswesentliche Sache im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB geirrt. Rechtsfolge: Der bisherige Erbe verliert dann allerdings seine eigenen Ausgleichsansprüche. Er wird dann so gestellt, als hätte er die Erbschaft von Anfang an ausgeschlagen.
  • Zur Verhinderung dieser Rechtsfolge kommt daher die Beantragung einer Nachlassinsolvenz in Betracht . Das Vermögen des Erblassers wird dann vom eigenen Vermögen abgesondert, es droht keine Haftung für dessen Verbindlichkeiten gem. § 1922 BGB, und der bisherige Erbe behält seine möglichen Ausgleichsansprüche. Dasselbe Ziel ist mit einer Nachlassverwaltung gem. § 1975 BGB zu erreichen.

2. Belastete Erbschaft des Pflichtteilsberechtigten – Sie hätten Anspruch auf den Pflichtteil ?

Ist das Erbe belastet mit:

  • Einer Vor- und Nacherbschaft
  • Testamentsvollstreckung
  • Teilungsanordnung
  • Vermächtnis
  • Auflage

stehen mögliche Schulden des Erblassers nicht im Vordergrund. Bei diesser Konstellation kann aber es sein, dass der betroffene Erbe durch die Beschränkungen auf lange Sicht nichts aus seinem ihm zugedachten Erbe erhält oder es ist am Ende ganz verbraucht. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich mit einer Testamentsvollstreckung im Nachlass ein Unternehmen befindet, dessen Fortbestand unsicher ist. Oder eine Vor- und Nacherbschaft besteht, der Vorerbe aber von allen Beschränkungen befreit ist und völlig frei über den Nachlass verfügen kann. Möglicher Weise ist dann schon vorher alles verbraucht. Sofern eine Teilungsanordnung gem. § 2048 BGB besteht, die einem die Verwertung des Erbes unmöglich werden lässt.

In diesen Fällen muss der Erbe prüfen, ob die Ausschlagung des Erbes innerhalb von 6 Wochen gem. § 1945 BGB und die anschließende Geltendmachung des Pflichtteils nicht der bessere Weg ist.

 

3. Häufige Fragen zur Ausschlagung oder Annahme der Erbschaft

Wenn ich das Erbe ausschlagen will – ab wann kann ich das tun ?

Am besten sofort, d.h. mit Kenntnis des Todes Erblassers. Denn nach Ablauf der 6 Wochenfrist ist in der Regel keine Ausschlagung mehr möglich.

Ab wann gilt das Erbe unwiderruflich als angenommen ?

Jede Handlung, die man so verstehen kann, dass der Rechtsnachfolger jetzt sein Erbe antreten möchte, z.B.:

  • Auch wenn man nichts unternimmt, d.h. sich gegenüber dem Nachlassgericht nach dem Tod des Erblassers nicht meldet, ist man gleichwohl Erbe, sofern man gesetzlicher Erbe ist oder durch eine letztwillige Verfügung (Erbvertrag, Testament) dazu bestimmt wurde.
  • Antrag auf Erteilung des Erbscheins
  • Stellungnahme zu einem Testament
  • Übermittlung eines Nachlassverzeichnisses an das Gericht
  • Vorsprache bei der Bank zur Umschreibung der Konten

Welche Folgen hat die Annahme für die mögliche Ausschlagung ?

Das Erbe kann jetzt nicht mehr nach der Norm des § 1944 BGB ausgeschlagen werden.

  • Jetzt ist nur noch die sog. Anfechtung der Annahme der Erbschaft analog gem. § 1944 BGB möglich, sofern sich nach der Annahme Schulden des Erblassers gezeigt haben.

Wer entscheidet, ob die Ausschlagung rechtzeitig erfolgt ist ?

Allein das Nachlassgericht.

Wo wird das Erbe ausgeschlagen ?

Entweder beim Nachlassgericht oder gegenüber einem Notar

Aktuelle Rechtsprechung zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft:

OLG München vom 29. 07.2015, Az: 31 Wx 54/15 NJW-RR 2015, 1418 f. Demnach liegt ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB vor, wenn nach Abschluss einer Rechtsstreitigkeit die Überschuldung feststeht. Es kann dann die Anfechtung der Annahme der Erbschaft erklärt werden.

 

 

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Dr. Stefan Günther

Rechtsanwalt &

Fachanwalt für Erbrecht

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